„Man ist was man isst“ lautet ein Sprichwort.
Soll hiermit gemeint sein der Ernährung einen derart hohen Stellenwert beizumessen?
Wiederholt schon haben wir uns in Verhältnissen wiedergefunden, welche uns nicht nur unangenehm, sondern auch schmerzlich und belastend waren, beängstigend, bedrängend und traurig stimmten.
Ebenso bekannt ist das Unwohlsein nach mancher Speise. Doch kann nicht immer so leicht bestimmt werden, was das Übel ist, wird doch häufig das, was heute noch verträglich war, morgen nicht mehr vertragen und übermorgen ist es uns vielleicht wieder bekömmlich. Was macht den Unterschied?
Im Erleben der Umwelt ist unsere Haltung und Stimmung entscheidend. Sind wir zuversichtlich und gut gelaunt oder „in Urlaubsstimmung“ kann uns kaum ein Umstand so leicht „aus der Bahn werfen“. Herausforderungen vor denen wir andermals vielleicht „ins Wanken“ gerieten, können plötzlich souverän von uns „genommen“ werden. Wer kennt diese Gegensätze nicht, doch was macht den Unterschied?
Mit der Ernährung wird das Bild deutlich, entscheidend ist die Verdaulichkeit und Verstoffwechselung der Nahrung:
All unsere Speise wird im Verdauungsvorgang bis in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt, nur dann ist eine Aufnahme (Resorption) durch die Darmwand in unseren Körper möglich. In der folgenden Verstoffwechselung kann der Körper die Nahrungsstoffe umbauen zu anderen körpereigenen Stoffen und Geweben, zu Energie (ATP) „verbrennen“, d.h. die Stoffe verwandeln oder sie werden eingelagert, gespeichert als Vorrat, um später wieder dem Stoffwechsel zugeführt zu werden.
Wie steht es um unseren Umgang, unsere Verdauungsfähigkeit von Erlebnissituationen? Gelingt es uns unsere Eindrücke (vgl. Speise) in ihre einzelnen Zusammenhänge (Bestandteile) zu zerlegen? Können wir die Verzweiflung des Menschen erkennen, die hinter seinem Angriff steht? Können wir den Verlust von Motivation und Lebenslust erkennen, der hinter der Teilnahmslosigkeit stehen kann oder die Angst vor der Erweiterung zu Neuem, die vielleicht hinter der Ignoranz steht? Welche Themen genau zutreffen weiß der Betroffene oft insgeheim besser als sein beurteilendes Umfeld.
Wie gelingt es uns aus unseren Erlebnissen und Eindrücken Kraft zu schöpfen wie aus gut verdauter Speise?
Es ist die Haltung, mit der wir an die Dinge herangehen und unsere Beweglichkeit und unsere Fähigkeit dem Fluß (Ablauf) der Dinge zu folgen und zu bestimmen. Unsere Sprache malt uns eingängliche Bilder: die innere und äußere Haltung; Bewegung und Beweglichkeit im körperlichen-seelischen-geistigen; sowie der freie Fluß, der frei fließende Atem welcher uns so oft schon stockte. Wir pressten die Luft, Brustkorb und Bauch gespannt – vom Zwang der Gedankenwelt getrieben, der Atem stockte uns – von Emotionen überwältigt. Die äußere Haltung war sooft schon Ausdruck inneren Befindens und umgekehrt, jeder kennt das Erstarren, den Verlust der Beweglichkeit für einen Moment.
Sind eine gelöste Haltung, freie Beweglichkeit und der ruhig, tief und rund fließende Atem Ausdruck und Zeichen inneren Wohlbefindens und Schaffenskraft, so sind sie auch Weg und Wandel zu Wohl und Kraft.
Seit vielen Jahren beobachten wir die Entwicklung und Veränderung unserer Patienten, wenn aufrechte Haltung unter freier Beweglichkeit und vollem Atem zurückkehren. Die individuelle Kombination und Dosierung verschiedener Therapeutika sind eine Kunst des Heilens.
So wie unsere innere Haltung uns manchen Eindruck verdaulicher machen und der freie Fluß von Atem und innerer Beweglichkeit uns manches Erlebnis besser integrieren (verstoffwechseln) lassen, kann die Arbeit an den äußerlichen Haltungs- und Bewegungsdefiziten, sowie den Verdauungsstörungen und Stoffwechselblockaden helfen, inneres Wohl, Gleichgewicht und Schaffenskraft zu finden.
Aus tiefem Atem und Anteilnahme
Michael Freitag Ostern 2021